„Eine Blume braucht Sonne, um eine Blume zu werden. Ein Mensch braucht Liebe, um ein Mensch zu werden.“ (Phil Bosmans)
Zweijährige Kinder sind keine kleinen dreijährigen Kinder. Zweijährige beginnen gerade erst, ihr Ich-Bewusstsein zu entwickeln. Sie sind in dieser Phase noch sehr an die primären Bezugspersonen gebunden. Aus der Sicherheit dieser Bindung heraus entwickeln sie zunehmend Selbständigkeit. Sie gehen kurzzeitig auf Entdeckungsreise oder widmen sich eigenen Aktivitäten, brauchen aber immer wieder die Möglichkeit, sich ihrer Bezugsperson („sicherer Hafen“) zu vergewissern und Kontakt aufzunehmen.
Die Bindungsforscher haben herausgefunden, dass Kinder, die stabile Beziehungen haben, i.d.R. kooperationsbereiter, frustrationstoleranter, Fremden gegenüber aufgeschlossener und konzentrierter sind.
Auch die Lernfähigkeit und Lernbereitschaft wird durch stabile Bindung maßgeblich gefördert: „Bindung ist Bildung“.
Dagegen ist eine unsichere Bindung ein Risikofaktor. Ein früh erlebter Verlust oder Unsicherheiten erzeugen Ängste und stören die emotionale Entwicklung des Kindes.
„Emotionen sind die Architekten des Gehirns“ (Stanley Greenspan, Entwicklungspsychologe und Bindungsforscher). „Emotionen fördern die Bildung neuronaler Verschaltungen, mithin das Wachstum des Gehirns. Gute Emotionen schaffen gutes Wachstum, Ausdauer, Empathie und soziale Kompetenz. Schlechte Emotionen bremsen das Wachstum und führen zu Ängsten und Verhaltensstörungen.“
Uns geht es deshalb darum, den Übergang des Kindes aus der Bindung an die ursprünglichen Bezugspersonen zu neuen Bezugspersonen (Erzieherin) so zu gestalten, dass dies bei den Kindern mit guten Emotionen einhergeht. Es soll sich wohlfühlen.
Die alten Bezugspersonen sollen dabei nicht verloren gehen, sondern nur durch neue Bezugspersonen erweitert werden.
Um diese Gedanken umzusetzen, haben wir uns für das „Berliner Eingewöhnungsmodell“ entschieden.
Wir erwarten, dass die Familien, deren Kinder wir aufnehmen, dieses Modell mit unterstützen.
Grundphase (3 Tage)
Die Mutter (oder der Vater) kommt mit dem Kind zusammen in den Kindergarten (möglichst immer zur gleichen Zeit), bleibt 1 Stunde zusammen mit dem Kind im Gruppenraum und nimmt danach das Kind wieder mit nach Hause.
Eltern:
Die Aufgabe der Eltern ist es: „Sicherer Hafen“ zu sein.
4. Tag
Trennungsversuch (wenn es ein Montag ist, erst am 5. Tag)
Ziel: vorläufige Entscheidung über die Dauer der Eingewöhnungsphase: Einige Minuten nach der Ankunft im Gruppenraum verabschiedet sich die Mutter vom Kind, verlässt den Raum und bleibt in der Nähe. Die Bezugsperson lässt etwas von sich da.
Die Reaktionen des Kindes sind der Maßstab für die Fortsetzung oder den Abbruch dieses Trennungsversuches:
Stabilisierungsphase
Ab dem 4. Tag versucht die Erzieherin von der Bezugsperson die Versorgung des Kindes zu übernehmen:
Nur wenn das Kind sich beim Trennungsversuch am 4. Tag von der Erzieherin trösten ließ bzw. gelassen auf die Trennung reagierte, sollte die Trennungszeit am 5. Tag ausgedehnt werden.
Am 5. und 6. Tag ist die Anwesenheit der Bezugsperson im Kindergarten notwendig, damit sie bei Bedarf in den Gruppenraum geholt werden kann.
Wenn sich das Kind am 4. Tag nicht trösten ließ, sollte die Bezugsperson am 5. und 6. Tag mit ihrem Kind wie vorher am Gruppengeschehen teilnehmen und je nach Verfassung des Kindes am 7. Tag einen erneuten Versuch machen.
Schlussphase
Die Bezugsperson hält sich nicht mehr im Kindergarten auf, ist jedoch jederzeit erreichbar, falls die Tragfähigkeit der neuen Beziehung zur Erzieherin noch nicht ausreicht um das Kind in besonderen Fällen aufzufangen.
Die Eingewöhnung ist beendet, wenn das Kind die Erzieherin als „SICHERE BASIS“ akzeptiert hat und sich von ihr trösten lässt.
Dies ist z.B. dann der Fall, wenn das Kind gegen den Weggang der Bezugsperson protestiert (Bindungsverhalten zeigt), sich aber schnell von der Erzieherin trösten lässt und in guter Stimmung spielt.
Die Eltern sollten sich für die Eingewöhnungsphase 5 – 6 Wochen freihalten.
Die Eingewöhnung sollte sinnvoller Weise in der belegungsarmen Zeit (nachmittags) stattfinden. Grundsätzlich gilt, das Kind zu verabschieden und pünktlich abzuholen. Dabei erweist es sich als hilfreich, ein immer wiederkehrendes Ritual einzuhalten. Der Kummer des Kindes muss ernst genommen werden. Versuchen Sie nicht, den Trennungsschmerz abzudressieren (z.B. „Wenn du nicht weinst, gibt es heute Abend etwas Tolles“).
Unabhängig von diesem Modell orientieren wir uns am Entwicklungstempo des einzelnen Kindes. Kein Kind soll gedrängt werden. Es ist wichtig, dass die Eingewöhnungsphase gelingt, weil dies entscheidend für die gesamte Kindergartenzeit ist.
Eine nicht gelungene Eingewöhnung kann zu bleibenden Störungen in der Eltern-Kind Bindung führen.
„Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht“ (arabisches Sprichwort)
ist in erster Linie Selbstbildung durch das Spiel. Es kommt weniger darauf an, was Bezugspersonen vorgeben. Die Erzieherinnen begleiten und unterstützen die Eigeninitiative des Kindes. Auch das Erlernen von Alltagstätigkeiten (z.B. An- und Ausziehen, Essen mit Besteckt usw.) ist eine wichtige Lernerfahrung, der wir Zeit und Raum geben. Dabei hat jedes Kind sein eigenes Tempo.
„Ein Kind, das durch selbständige Experimente etwas erreicht, erwirbt ein ganz anderes Wissen als eines, dem die Lösungen geboten wird.“ (Emmi Pikler)
Dadurch entwickeln sich Kinder zu selbständig denkenden und handelnden Kindern, die sich aufgehoben fühlen und offen, zuversichtlich und wissbegierig durch das Leben gehen.
Struktur und Rituale sind wichtig für die Kinder. Sie geben Sicherheit und stärken das Vertrauen der Kinder in die Umgebung. Die Tagesstruktur orientiert sich an den Bedürfnissen der Kinder.
Wir gehen dem individuellen Ruhebedürfnis der Kinder nach. Die Kinder brauchen nach einer Zeit der Bewegung und des Spielens Ruhepausen, um neue Kräfte zu sammeln. Dabei ist von entscheidender Bedeutung, Kindern das Gefühl zu vermitteln, dass sie schlafen dürfen und nicht schlafen müssen. Ebenso gehört dazu, dass sie eine liebevolle Zuwendung erfahren, und Ihnen ein Kuscheltier, Tuch, Schnuller oder ein anderes vertrautes „Übergangsobjekt“ das Einschlafen erleichtert.
So können sie Eindrücke verarbeiten und festigen.
Die Sauberkeitserziehung ist in erster Linie Aufgabe der Eltern und kann vom Kindergarten nur unterstützt werden. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Eltern und Erzieherinnen ist wichtig. In der Eingewöhnungsphase wird das Kind von der Mutter oder dem Vater gewickelt. Später übernimmt die Erzieherin im Beisein der Eltern diese Aufgabe. Sauberkeitserziehung dient nicht alleine der Hygiene, sondern wird begleitet von Sprachförderung, Sinnesförderung und der Anleitung zur Selbständigkeit.
Essen ist nicht alleine Nahrungsaufnahme, sondern ein komplexes soziales Geschehen. Die Kinder sollen Essen als gesunde und vollwertige Ernährung gemeinsam mit anderen erfahren. Dabei wird auf eine gute Atmosphäre geachtet und der Tisch ansprechend gedeckt.
Wir vermitteln den Kindern Esskultur und Gemeinschaftsgefühl.
Wir haben Zeit füreinander, dazu gehört auch das Gespräch, und lernen, Essen bewusst zu genießen (Sinneserfahrung).
Jedes Kind bringt sein Frühstück – und für die Zwischenmahlzeit Obst (geschnitten) oder Rohkost – mit.
Eltern sind unsere direkten Ansprechpartner, wenn es darum geht optimale Entwicklungsbedingungen für ihr Kind zu schaffen.
Wichtige Elemente einer gelungenen Elternarbeit sind:
Für eine gute Zusammenarbeit ist gegenseitige Akzeptanz notwendig. Unser Bildungsauftrag beinhaltet, dass sich unser Konzept als Familien ergänzend und nicht als Familien ersetzend versteht.
„Ich glaube daran, dass das größte Geschenk, das ich von jemanden empfangen kann, ist, gesehen, gehört und berührt zu werden! Das größte Geschenk, das ich geben kann, ist den anderen zu sehen, zu hören, zu verstehen und berühren. Wenn das geschieht, entsteht Kontakt“